Nachdem ich zig Mal die Welt gerettet, Drachen bekämpft, Prinzessinnen befreit und dutzende Weltmeisterschaften gewonnen habe, will ich mich nun mal als Grenzbeamter in einem kommunistischen System der Kalten Kriegsjahre probieren. Mit Papers, Please von Lucas Pope.
Grestin, Arstotzka – November, 1982
Tag 1:
Ich begutachte meinen neuen Arbeitsplatz in der geteilten Stadt Grestin, wohin ich mit meiner Familie gezogen bin. Heute wurden die Grenzen zum ersten Mal seit dem Sechsjährigen Krieg wieder geöffnet, eine enorme Warteschlange hat sich schon vor dem Checkpoint gebildet. Ich gehe den ersten Tag gemütlich an, inspiziere meinen kleinen Schalter und meinen beengten Arbeitsplatz. Rechts sind die beiden Stempel für „Genehmigt“ und „Abgelehnt“, mein wichtigstes Utensil. Arbeitsanweisungen kommen per Fax, ich dürfe nur Bürger von Arstotzka reinlassen, sonst niemanden.
Ich lasse den ersten Wartenden reinrufen. Eine wortkarge Frau, die einfach nur einreisen möchte. Ich vergleiche ihren Pass mit den Infos meines Handbuches, scheint alles zu stimmen. Der grüne Stempel kommt zum Einsatz. „Machen sie keinen Ärger! Nächster!“
Schon steht der Nächste am Schalter, während ich noch versuche die Arbeitsanweisungen und die Infos über andere Länder durchzugehen. Fremde Symbole, fremde Städte, zu viele Informationen.
Der Herr der einreisen will hat einen Pass aus Antegria, ich gleiche die Daten ab… Moment, brauche ich gar nicht, es dürfen nur Bürger rein. Roter Stempel. „Nächster!“
Ein kurzer Blick auf die Uhr… die Zeit rast hier, obwohl nichts Spannendes passiert. Pass checken, Stempeln, „Nächster!“. Und schon ist Feierabend.
Mein Lohn wird mir ausgehändigt, keine Pauschale, kein Gehalt, ich bekomme nur so viel, wie ich abgestempelt habe. Reichen wird es nicht, die Miete, das Essen und die Heizung hat gerade mein Erspartes verschlungen. Den Kindern, der Frau, dem Onkel, dem Vater geht’s gut… für heute. Ich gehe schlafen.
Tag 2:
Heute will ich schneller arbeiten, ich brauche das Geld.
Die Grenze ist heute komplett geöffnet für alle Menschen mit gültigem Pass, das heißt, ich muss alle Pässe genaustens untersuchen.
Es dauert ein wenig, bis ich in Fahrt komme, ich muss immer wieder Städte und Länder nachschlagen in meinen Unterlagen. Das Arbeitshandbuch liegt nun die ganze Zeit offen auf meinem Tisch. Es muss schnell gehen. Stempel, „Nächster!“
Und da habe ich meinen ersten Fall mit falschen Daten, schnell roter Stempel und weggeschickt. Ein Fluch zum Abschied und „Nächster!“.
Ich liege gut in der Zeit, schneller als gestern! Heute wird ein guter Tag.
Doch da sehe ich jemanden über den Grenzzaun springen, direkt vor meiner Kabine, er wirft mit etwas auf die Grenzsoldaten, eine Explosion, der Alarm schrillt, die Grenze wird geschlossen, der Angreifer erschossen. Feierabend! Zu früh…
Ich kann heute die Heizung nicht zahlen, mein Sohn ist krank, der Geldbestand ist wieder bei 0.
Tag 3:
Der Terroranschlag ist die Hauptschlagzeile der Zeitung. Neue, strikte Arbeitsanweisungen liegen nüchtern auf meinem Tisch. Ausländer dürfen nur mit einem Zugangsticket ins Land.
Der erst Pass ist in Ordnung, das kleine Ticket ist jedoch abgelaufen. Abgewiesen, „Nächster!“
Langsam habe ich es raus, welches Symbol auf den Pässen zu welchem Land gehört, ich finde nun schneller die wichtigen Daten. Doch einmal habe ich übersehen, dass das Geschlecht im Pass falsch angegeben war, die Verwarnung kommt prompt, nüchtern per Fax. Ich muss aufpassen. Mein Sohn ist krank!
Zur Mittagszeit kommt ein älterer Herr ohne Papiere. Er würde gerne einreisen, ein Hoch auf Arstotzka! Der Mann wartet. Was soll ich tun? Keine Papiere, wo kommt der Abgewiesen-Stempel hin? Panik ergreift mich, die Zeit rast, die Warteschlange drängt. Schnell im Handbuch nachgeschlagen… „Menschen müssen einen gültigen Pass haben“. Ich melde eine Diskrepanz an. Der Mann hat keinen Pass. Ich schicke ihn weg. Puh!
Einer hatte kein Ticket, der Pass war gültig. Er verspricht mir Vergünstigungen in einem schmuddeligen Club. Ein Flyer liegt auf seinem Pass. Ich weiße ihn ab. Der Flyer liegt in der Ecke, ein kleiner Farbklecks in meiner grauen Umgebung.
Der Arbeitstag ist geschafft. Ich habe viele Pässe gestempelt, es sollte mehr Lohn sein diesmal.
Ich kann alles zahlen, auch die Medikamente für meinen Sohn. Es bleibt sogar noch etwas übrig. Die Familie hat gegessen, es ist ausreichend warm und die Medikamente helfen.
Ich gehe schlafen.
Tag 4:
Neue Arbeitsanweisungen, die Einreise wird weiter erschwert. Ausländer brauchen eine Einreisegenehmigung und Bürger brauchen eine ID-Karte. Heute wird mehr gesprochen mit den Menschen auf der anderen Seite des Schalters.
„Grund der Einreise?“
„Dauer des Aufenthalts?“
Währenddessen schaue ich schon mal in den Pass, gleiche ab… Einreise Genehmigung… wie war der Grund noch mal? Ja keinen Fehler machen, ich muss mein Pensum halten, trotz des Mehraufwands.
Erste Verwarnung des Tages, ID-Nummern stimmten nicht überein.
„Nächster!“
Wo stehen die Distrikte von Arstotzka nochmal? Abgleichen, Stempeln…
Zweite Verwarnung! Wieder mal das falsche Geschlecht angegeben gewesen. Die Details, der Druck!
Der Typ ohne Pass von gestern ist wieder da, diesmal hat er einen… dieser ist offensichtlich gefälscht. Verhöhr! Es kostet Zeit.
„Nächster!“
Die Frau hat gültige Dokumente, jedoch weicht ihr Name ab. Sie habe ihn geändert inzwischen, aber noch nicht in den Dokumenten. Diskrepanz, Fingerabdrücke werden genommen, ein Verhör. Das kostet Zeit!
„Nächster!“
Schnell checken, Stempel, „Nächster!“
Ich hab die abweichenden ID-Nummern übersehen. Abzug vom Lohn. Die Zeit drängt, die Familie will essen.
„Nächster!“
Dokumente gecheckt, alles gut, Stempeln. „Nächster!“ Ich kann noch aufholen.
Dokumente gecheckt, langsam sind mir die Eckdaten der Länder geläufiger, es wird mehr zur Routine. Trotzdem bin ich verunsichert, wegen der Fehler heute.
Stempel, „Nächster!“
Dokumente gut… Stempel…
„Nächster!“
Fehler, mehr Abzug vom Lohn, meine Hände zittern, ich werde nervös.
Der Arbeitstag ist wieder vorbei, ich habe Sorge. Zurecht, durch die Abzüge reicht mein Lohn heute nicht, ich kann die Miete nicht zahlen, ich habe Schulden.
Schulden werden in Arstotzka nicht akzeptiert, die Polizei holt mich ab, sperrt mich ein. „Für sie finden wir einfach Ersatz!“
Meine Familie wird zurück aufs Land geschickt, ich bleibe im Gefängnis, bis ich meine Schulden bezahlen kann.
Ich will kein Grenzbeamter mehr sein!